Musikalische Weltmacht Mali
Wer Mali nur mit Nachrichten über Dschihadisten, Militärputschen und Korruption assoziiert, verpasst das Beste. Mali mag auf dem Papier zu den ärmsten Nationen der Welt gehören. Seine Musik aber begründet einen Ruf, der bis nach Europa und Nordamerika ausstrahlt.
„Ohne Musik“, sagt Vieux Farka Toure, Popstar und Sohn der malischen Musiklegende Ali Farka Toure, „würde Mali nicht existieren“.
Malis Künstler beeinflussen seit den 1970er Jahren die internationale Szene. Damals waren in Mali Dutzende, vom Staat geförderte regionale Orchester entstanden. Herausragend waren die Rail Band mit dem Sänger Salif Keita („The Golden Voice of Africa“) und Les Ambassadeurs, die mit ihrem Mix aus Mandinke-Songs und Funk die erste Supergroup Westafrikas wurde. Damals hat die malische Popmusik die Weichen für eine geniale Verbindung von Archaik und Fortschritt gestellt.
Musiker wie Ali Farka Toure, die Super Djata Band oder Super Biton fusionierten Jazz, Blues und ethnische Überlieferungen. Westliche Rockstars wie Ry Cooder, Robert Plant und Damon Albarn gingen den umgekehrten Weg: Wo, wenn nicht in Mali könnten sie die afrikanischen Roots finden? Zuletzt hat sich das Berliner Omniversal Earkestra 2019 auf eine Reise nach Mali begeben, um vor Ort mit den Helden aus den 70-er Jahren zusammenzuspielen.
Heute sind es die Rapperin Ami Yerewolo, Dogon-Bluesmann Petit Goro, Tuareg-„Wüstenprinz“ Kader Tarhanine oder die Peulh-Sängerin Sadio Sidibe, die mit ihren neuen Sounds Wochenende für Wochenende am Nigerufer, auf Hochzeiten und Familienfeiern, in Clubs und Freiluftbühnen spielen. Wer ihre Musik hört, der erlebt eine Energie, die alle Hiobsbotschaften aus dem Sahel-Land konterkariert.
Mali pflegt jahrtausendalte Traditionen: Sogenannte Griots, Hof-Sänger und oft auch –Sängerinnen, berichten in Songs von den Heldentaten der Ahnen oder kritisieren diskret die Mächtigen. Es sind Songs, die dort jedes Kind kennt. Griots wie Ballake Sissoko scheuen dabei auch vor Experimenten mit westlichen Jazz- und Elektromusikern nicht zurück. Weithin im Westen unbekannt ist etwa die Donso-Musik der Geheimbünde der Jäger. Deren Trance-induzierenden Chants und Rhythmen haben besonders auf dem Land nichts von ihrer Anziehungskraft verloren – und inspirieren bis heute Popstars wie Oumou Sangare.
„Mali“, sagt Vieux Farka Toure, „hat stets aus seinem Reichtum an Rhythmen und Tänzen geschöpft. Alles darf da nebeneinander existieren. Es ist die Vielfalt und Toleranz, die uns zu einer musikalischen Weltmacht macht.“ Dies zeigen all die Musikerinnen und Musiker, die schwierigsten Lebensbedingungen zum Trotz die Menschen zum Tanzen bringen.